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Sonntag, 20. Februar 2011

9.) Auf der Fahrt nach Halfway Tree, April 20, 1890, Zugfahrt und Brief an Anne-Mary

Liebe Anne-Mary,




Der erste Satz war gut.
Ich saß mit der Mannschaft im Zug von Yallah nach Liberty. Ich mußte jetzt den Brief schreiben. Später war keine Zeit mehr . Wir steigen im Hauptbahnhof um in die Nordlinie nach Halfway Tree, eine kurz Fahrt nur Dann direkt zum Ballpark, umziehen im Klubhaus, dann vielleicht eine Stunde praktizieren, vielleicht nur 45 Minuten. Danach war auf jeden Fall das Spiel. Dann war Abend und die Post war schon auf den Weg . Wir saßen hier gedrängt, der halbe Waggon voll mit den Claremont Blue Rocks. Um mich herum waren Manager John Cross, Gary, Bramble, die Werfer Clontz, Thaxton und Shanks und natürlich wie immer direkt neben dem Manager, Jim Boyce, der Außenfelder.




Ich bin sehr froh dir einen Brief schreiben zu können.


Ich dachte über den nächsten Satz nach. Es gab ein Problem. Ich hatte nämlich keine Ahnung wie man mit einem Mädchen spricht. Anderen Jungs macht das überhaupt kein Problem. Und sie haben Erfolg. Mir aber fällt es unsäglich schwer ein Mädchen anzusprechen. Aber andererseits hatte ich es schon geschafft, daß Anne-Mary zu einem Spiel gekommen war und hatte ihre Erlaubnis bekommen ihr einen Brief zu schreiben. Am allerwichtigsten für mich war ihr unvergessliches Lächeln, das sie mir geschenkt hatte. Ich mußte also irgendetwas richtig gemacht haben. Dieser tröstliche Gedanke half mir bei dem nächsten Satz:


Denn obwohl die Jungs ok sind, weiß ich oft nicht was ich mit ihnen reden soll und ich wünsche mir jemanden, die mir wirklich zuhört.





Ihr wißt gar nicht wie gut ihr es habt, Jungs! Manager Cross sprach die meiste Zeit. Ihr habt ein Jahr Zeit, 130 Spiele Zeit habt ihr um zu zeigen was in euch steckt. Dann sieht man was ihr könnt und wenn ihr was könnt, geht es hoch in Senior Liga. Dahin wollt ihr doch, oder? Gary will dahin, C.D. auch, ihr alle wollt es.


Das wollte ich dir bei unsrem letzten Treffen schon sagen Aber ich finde es einfacher niederzuschreiben, als es auszusprechen.





Endlich gibt es die Ligen. Unsere Junior Liga und die Senior Liga. Jetzt haben alle die Möglichkeit den Con zu gewinnen, nicht nur die Roten und die Blauen. Über Jahrzehnte immer nur Rot und Blau . Mein Gott sie waren die Besten, sicher. Sie zogen ja auch übers Land, spielten gegen die Dörfler und machten alle irre. Die Leute kamen und bezahlten Geld um Erwachsene beim Ballspiel zuzusehen. Und die Jungs auf dem Land wollten es den Typen aus Liberty City zeigen, diesen Angebern. Mann, die spielten Ball als Beruf! Und die nahmen die besten mit nach Hause, nach Liberty. Und dann im Oktober die Roten, die Blauen im Con Cup. Das ganze Land bebt, wie ein Rausch ist das. Ihr könnt es auch schaffen, irgendwann im Con Cup , dann am besten im siebtem Spiel , die Entscheidung,unentschieden im neunten inning, du C.D., am Schlag oder Gary, die Male voll und dann der Wurf und Schwung... er brachte den Satz nicht zu Ende . zu gerührt von seienem eigenem Gerede verstummte Manager Cross für einen Augenblick.





In diesem Augenblick, da ich an dich denke fühle ich mich sehr wohl.





" Verdammte Rote, verdammte Blaue, Verdammter Con Cup!!" Boyce war wieder zu hören. Die ganze Zeit begleitete er Cross' Rede mit Einwürfen dieser Art. Er wiederholte Satzfetzen von John and reicherte sie mit schlimmen Obszönitäten an. Ich gebe diese Unflätigkeiten pauschal mit dem Wort 'verdammt' wieder, was natürlich nur eine sehr abgeschwächte Übersetzung von Boyce' s Ausdrücken ist.
Manager Cross hatte sich gefangen: "Irgendwann schlägt jeder einen Heimlauf, Augen zu und fester Schwung und schon hoppelt der Ball hinter dem Zaum über die Weide." Boyce: "..verdammte Weide mit verdammter Kuhverdammt". Cross: "Aber ein echter Ballspieler muß immer wach sein, Jungs. In jedem Spiel, 130 bei uns und 162 in der Senior Liga, Bei jedem Am-Schlag, ja, bei jedem einzelnen Wurf, Leute." Boyce: ".. jeder verdammter Wurf, gerade stehen, als wenn ich euch den verdammten Stock in den Verdammten ramme". Boyce sah sich selbst als Assistenz-Manager, keine Frage. Immer war er neben John zu finden, während jeder Pause, auf allen Fahrten. John ließ sich von den Einwürfen nicht stören und ging nicht auf sie ein und redete weiter.#Aber ich mußte diesen Brief fertigbekommen. Wir waren schon kurz vor Liberty, wir hatten den Neu-Hafen erreicht und fuhren langsam.


Wir sind gerade auf der Fahrt von Yallah nach Liberty. Unsere Stimmung ist sehr gut, wir haben zwei von drei Spielen in Yallah gewonnen und haben jetzt 7-4 Siege.





"Verdammt!", dachte ich. Ich wollte doch nichts über das Ballspiel schreiben, weil mir klar war, daß sie das nicht interessierte. Jetzt stand der Satz da. Egal, ich liebe das Ballspiel und wenn sie in einem Brief nicht mal einen Satz über das Ballspiel ertragen kann, soll sie zur Hölle fahren! Unser Zug stand jetzt.
"Verdammte Verdammnis, warum sticken wir hier fest?" Unser Freund war außer sich. Wie hielt Manager Cross diesen Kerl aus?


Unser Zug ist gerade in Neu-Hafen und draußen herrsch ein unglaubliches Gewimmel von Fuhrwerken, Güterwaggons und eine Fülle von Arbeitern, die Karren ziehen und irgendwelche Waren von einer Stele zu anderen schleppen. Die Eisenbahnlinie führt nahe an der Küste entlang, so daß eine Unzahl von Schiffen zu sehen ist.



Der Betrieb in Hafen ist ungeheuerlich. Pferdefuhrwerke, Güterwaggons und Arbeiter mit Handkarren. Alle hasteten umher. Ladung wurde verladen. Lange Reihen von Lagerhäusern und dazwischen wie Nervenbahnen die Eisenbahngleisen. Der größte Hafen der Welt vielleicht, Waren aus ganz Amerika wurden hier umgeschlagen und dann verarbeitet oder einfach umgeladen um nach Europa oder anderswo in die Welt gebracht zu werden.
Übrigens Bryce jetzt schweigsam geworden. Seine weittragende Stimme hatte offenbar die Fahrgäste im hinteren Teil des Waggons gestört, denn irgendwann kam der Schaffner zu Manager Cross, sagte "Auf ein Wort, mein Herr" und flüsterte kurz mit ihm. Cross nickte nur, setzte sich hin und flüsterte seinerseits kurz mit Bryce, einen Satz nur so schien es. Bryce blickte vor sich auf den Boden und murmelte "Verdammte Verdammnis" vor sich hin und war dann still für den Rest der Fahrt und guckte mißmutig aus dem Fenster.


Ich würde gerne mit dir zusammen Liberty besuchen. Aber jetzt freu ich mich erstmal bald nach Claremont zurüchzukommen und dich zu sehen.
 Liebe Grüße Claude D.







Noch drei Stunden bis Spiebeginn.

Montag, 31. Januar 2011

2.) Gary Bunker erzählt und Thomas Coulson belehrt ihn




Claremont, New America, März 29, 1890






 "Hab ich euch die Geschichte von unserer Kuh Lulu, die sich verlaufen hat, erzählt?" fragte Gary Bunker, unser Kurzstop mit seiner uns so wohlbekannt, begeisterten Stimme. Wir kannten die Geschichte, natürlich. Die kostbare Familienkuh war von der Weide verschwunden. Überall wurde gesucht Kinder , Onkel und Tanten waren beteiligt. Den ganzen Tag ging es so, dann halfen auch die Nachbarn bei der Suche. Das ganze Dorf wurde abgesucht , alle Wiesen , die Wälder in der Umgebung. Alles ohne Erfolg. Dann wurde es zu dunkel und alle gingen nach Hause, aber niemand konnte einschlafen denn Lulu war der einzige Besitz der Familie und allle müssten verhungern wenn Lulu weg war (was sicherlich stark übertrieben war, denn ein anderes Mal erzählte Gary, daß seine Familie 20 Stück Vieh gehabt hätten). Niemand konnte einschlafen und erst gegen morgen war alle erschöpft doch eingeschlummert. Dann hörten sie ein kräftiges Klopfen an der Tür, rannten zur Tür und entdeckten Lulu, die von selbst nach Hause gefunden hat, mit ihren Hörnern an die Tür geklopft und nun in ihren Stall gebracht werden wollte. Die ganze Familie jubelte, war erleichtert und wieder glücklich.
 Gary war unerschöpflich was solcher Art Geschichten betraf. So saßen wir Ballspieler dann wieder beim Mittagessen in Speisesaal von Frau Bergs Pension an einem langen Tisch. Gary ein schmaler, schmächtiger Junge, er spielt Kurzstop, vielleicht 1.70 groß, er wurde eingerahmt von den beiden Werfern Tom Coulsen und David Clontz, beide rund 1.90m groß und beide sind nicht sehr schlank. Wie bei jedem Mittagessen redete und redete Gary. Er erzählte von Tante Pauli oder dem kleinen Bruder Skooter oder was auch immer.
An diesem Tag aber galt meine Aufmerksamkeit  mehr Ann-Mary. Sie ist eine der beiden Hausmädchen von Frau Berg. Zusammen mit ihrer Kollegin Wilma war es ihre Aufgabe unser Essen aufzutragen und danach abzuräumen und überhaupt in der Küche zu arbeiten. Die beiden Hausmädchen brachten also Teller und Schüsseln aus der Küche, die am Ende des Raumes hinter einer Tür war. Wir waren schon zwei Wochen bei Frau Berg untergebracht und Anne-Mary war mir schon sehr bald aufgefallen. Und so war es auch heute so, daß jedesmal wenn sie aus der Küchentür kam, in meiner Brust ein kleiner Schlag war, ein überaus freudiger natürlich, und ich sie dann mit meinen Blicken verfolgte, wie sie dann irgendein Utensil auf den Tisch stellte, dann noch prüfend umherblickte ob noch etwas fehlte und dann wieder hinter der Tür in der Küche verschwand. Auch dann fühlte ich wieder einen Schlag, allerdings diesmal einen schmerzlichen.


Das Ganze wiederholte sich dann mehrmals während des Mittagsessen und lenkt auf eine angenehme und auch spannende Weise von dem meist eintönigen Essen, wie auch von Gary`s Geschichten ab. Meinen Mannschaftskameraden erzählte ich davon natürlich nichts. Erstens war es uns verboten mit dem Hausmädchen anzubandeln, bei Strafe des Rausschmisses; zweitens hätte ich sicher eine Anlaß zu einer Reihe grober Scherze gegeben, auf sie ich keine Lust hatte. So verfolgte ich sie im Geheimen mit meinen Blicken und war von ihrer ganzen Erscheinung fasziniert ohne im Einzelnem sagen zu können warum. Ich suchte dann manchmal den Blickkontakt mit ihr wie zufällig und spürt dann wieder jenen Schlag in meiner Brust, wenn ich meinte das ihr Blick ein Bruchteil länger an dem Meinigen haftete.


Währenddessen erzählte Gary unablässig. Er begleitete den Gang der Geschichten noch mit ausladenen Gesten, die Gabel in der einen Hand, das Messer in der anderen Hand. Auch vernachlässigte er sein Esssen dabei nicht, so daß zwischendurch der ein oder andere Satz in seinen Kaugeräuschen unterging. Das war überhaupt nicht schlimm, denn er schmückte seine Geschichten mit einer Vielzahl von aberwitzigen Details und Abschweifungen aus, so das der ein oder andere Verlust nicht ins Gewicht fiel.


Anne-Mary war nun sch vor einiger Zeit in der Küche verschwunden und ich wartete gespannt darauf, daß die Tür sich wieder rühren würde. Sie blieb aber geschlossen, offenbar hatten die Mädchen ihre Arbeit fürs erste erledigt und warteten darauf, daß wir Spieler unser Essen beendeten und Sie abräumen konnten.




"..und wißt ihr , was dann passiert ist? Kommt ihr drauf?", Gary`s heutige Geschichte steuerte auf ihren Höhepunkt zu. Dann wandte er sich mit aufgeregter Stimme an mich, der ihm gegenüber saß.






"Claude, du wirst es nicht glauben!", mit diesem Ausruf, streckte er mir seine Hand entgegen bis seine Gabel wenige Zentimeter vor meiner Nase war.
"Kannst du nicht endlich einmal deine Klappe halten, Gary ?" , das war Tom, Tom Coulsen, ein Werfer, sein Nebenmann, einer der paar Älteren in unserer Mannschaft, er ist 32. "Und laß C.D. ihn Ruhe, er ist genauso krank und müde von deinen ewigen Wuschelhundgeschichten (er benutze den Ausdruck shaggy dog tales, wie kann man ihn besser übersetzen?) wie wir alle. "


Ich war ebenso überrascht wie Gary. Meine Gedanken hatten an der Küchentür und an Anne-Mary gehangen. Niemand braucht mich mich in Schutz zu nehmen und ich wollte Tom etwas in dieser Richtung erwidern. Aber die richtigen Worte kamen mir nicht so schnell in den Sinn, eine alte Schwäche von mir. Gary war schneller und wollte etwas entgegnen, aber Tom war noch nicht zu Ende:


"Gary, liebst du Jesus?" - Schweigen - "Liebst du Jesus, Gary?"
         "Was soll...? Na, klar... jeder liebt Jesus!
"Und weißt du was Jesus gesagt hat, Gary?"
         "Was Jesus gesagt hat?....Der hat ne Menge gesagt..was soll das ga..."
"Jesus hat gesagt: 'das Himmelreich ist wie ein Dieb in der Nacht. Es kommt in dem Augenblick in dem du es am wenigsten erwartest.'






          "Ja und, Tom?"


"Gary, du bist ein lausiger Ballspieler und weißt du warum?"
Bevor Gary etwas entgegnen konnte, beantwortete sich Tom seine Frage selbst:
"Weil du nicht wachsam bist, deshalb bist du ein lausiger Ballspieler. Ein Dieb könnte dir dein Unterhemd klauen während du es anhast und der liebe Gott könnte hinter deinem Rücken das Paradies aufbauen und du würdest es nicht merken."
Tom holte Luft:




"Beim Ballspiel genauso! Du bist auf dem Feld, stehst da auf deiner Kurzstop-Position. Und der Ball geht hin und her: Werfer, Fänger, Werfer, Fänger und nocheinmal und noch einmnal, und langsam kriecht die Langeweile an dir hoch. Und du guckst zu den Wolken am Himmel, siehst wie die Fahnen lustig im Wind flattern oder da in den Zuschauern steht ein hübsches Mädchen oder irgendein Idiot ruft dir ne Gemeinheit zu. Du stehts da und das alles schwirrt in deinem Kopf herum und du strickst schon an der nächsten Geschichte, die du uns auftischen wirst.


Aber dann plötzlich! In dem Augenblick, wo du ganz weit weg bist und sich tausend Dinge in deinem Kopfe drehen, das Krachen, der Schlag und du erschrickst und das kleine weiße Punkt wird rasend schnell und Wolken, Fähnchen und Mädchen fliegen aus deinem Hirn, aber zu langsam! Der Ball ist doch schon da! Ja, und er rutscht unter deinem Handschuh durch und rollt ins Außenfeld, in das Gelobte Land!




Und die anderen, sie jagen ein, zwei Läufer um die Male herum, sie jagen zum Heimmal, hinein ins Himmelreich mit zwei leuchtenden Punkten in der Nacht des Lebens , 2-0. Wo bleiben wir denn, Gary? Wir bleiben hier in diesem Fegefeuer von Claremont, Blaue Junior Liga Gruppe Nord. Wenn du ein Ballspieler werden willst, Gary Bunker, ein richtiger Ballspieler, dann darfst du nur an zwei Dinge denken, denk nur an den Ball und den lieben Gott, das reicht!"
        "Also, mein lieber Klugscheißer, Herr Thomas Coulson, wenn du so genau weißt was ein richtiger Ballspieler ist. Wie kommt es, daß du noch hier bist in diesem verfluchten Claremont spielst und nicht in Liberty (das ist New Amerikas Hauptstadt)  mit Sektglas in der Hand?"
"Weil Thomas Coulsons Zeug (engl. stuff ist die allgemeine Qualität des Werfens) nicht gut genug ist. Sein Schnellball ist nicht schnell genug und sein Kurvenball kurvt nicht genug." dachte ich. Aber es hatte keinen Sinn ihm das jetzt zu sagen. Das Spiel wird es ihm zeigen. Vielleicht wird Tom bald hinabsteigen von dem, was er als Fegefeuer bezeichnet, hinab in die Hölle. Die Hölle ist der Ort , an dem es kein Ballspiel mehr gibt für ihn. Irgendwann wird unser Manager John ihn beiseite nehmen und ihn fragen, ob er Pläne für sein Leben hat. Das ist das Urteil und die Strafe. Aber was weiß ich. "Beim Ballspiel weiß man niemals nichts", hat ein alter Mann mal gesagt.
Noch zwei Tage bis zur Saison-Eröffnung.