Freitag, 2. September 2011

69.) 1.9.1898, Im Zug von Montego Bay nach Savannah, Ein Brief aus der Nacht

Anne-Mary, Meine Liebste!


Nach einem langen Tag, fahren wir nun durch die Nacht. Wir sind zu sechst in einem Abteil zusammengepfercht, die anderen fünf schlafen irgendwie hingestreckt. Ich kann nicht schlafen, das macht mich wütend, denn morgen Nachmittag ist unser nächstes Spiel in Savannah. Aber jetzt, da ich an dich schreibe und an dich denke ist meine Wut verflogen.
Bis vor kurzem hatte ich mich noch mit Schmitty (Mike Schmidt, you know him, the infielder) unterhalten. Er erzählte mir eine kleine  Geschichte, weshalb er fast kein Ballspieler geworden wäre. Als 13 oder 14 jähriger hatte er in einem Spiel, und soweit ich verstanden hatte, gar kein bedeutenes Spiel, nur ein normales Schulspiel, also in so einem Spiel hatte er ein Pop-up nicht gefangen. Ein krasser Fehler, selbst in einer Jugendmannschaft. Er war so beschämt, so wütend auf sich selbst, daß er schwor niemals wieder ein Ballspiel zu spielen. Die Mannschaftskameraden, der Coach kritisierten ihn, aber auch nicht zu sehr. Nein , sie waren nicht der Grund für seine Abkehr vom Ballspiel. Es war seine Entscheidung.
Die Art, wie er diese kleine Geschichte erzählte, zeigte, daß ihn das alles ihn noch jetzt bewegte, vielleicht einer der wichtigsten Momente in seinem Leben. Schwer zu verstehen, eigentlich.
Aber ich vergaß, natürlich blieb es nicht dabei, mit dem Ballspiel aufzuhören und fortan nur noch Briefmarken zu sammeln. Warum blieb es nicht dabei? Weil sein Vater ihm wortlos den Arm auf die Schulter legte und Schmitty schwört, daß er noch heute nach Fehlern im Spiel den Arm seines Vaters auf den Schultern spürt. Gut für ihn! Wahrscheinlich sind das Geschichten, die nur in der Nacht erzählt werden.
Liebe Anne-Mary, ich werde dich nicht weiter mit diesen Nachtbotschaften langweilen. Ich liebe dich. Noch zwei Stunden Fahrt bis Savannah . Noch zehn Tage bis wir uns wiedersehen!

C.D.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen