Freitag, 22. April 2011

36.) Eight Rivers, im Juni 1893, Ein Tag im Museum (Teil I)

"Herzlich willkommen, junger Mann, in meinem Museum. Ich freue mich, daß sie den Weg zu mir gefunden haben.",

so begrüßte mich ein rundlicher Herr in den Fünfzigern an seiner Haustür. Ich entschuldigte mich für den unangemeldeten Besuch und sagte ihm, falls ich ungelegen käme, könne ich gerne ein anderes Mal wiederkommen.
Mr Cairos erwiderte:
" Unter keinen Umständen, der Zeitpunkt ihres Besuches könnte nicht besser sein",

er sprach mit einer geübten Stimme, die Aussprache war tadellos, jeder Satz druckreif und trotzdem fehlte doch nicht der Grundton einer allgemeinen Liebenswürdigkeit in seiner Stimme.
Ich bin in Eight Rivers, einer Kleinstadt an der Nordküste. Wir spielen einer Dreier-Serie gegen die einheimischen Yardies. Das Bemerkenswerte an Eight Rivers aber ist die Tatsache, daß dieser Ort die Geburtsstätte des Ballspiels ist. Hier soll John T. Halfweek einst das erste Spielfeld hergerichtet haben. Hier sollen die erste, legendären Spiele zwischen den Roten und den Blauen stattgefunden haben. Damit hängt auch mein Besuch bei Mr Cairos zusammen. Ich hatte gehört, daß er ein Ballspiel-Museum führt. Das interessierte mich.

"Folgen Sie mir bitte", Mr Cairos führte mich im Erdgeschoss in einen großen Raum, der früher wohl so etwas wie eine Bibliothek gewesen sein mag. Das Haus selbst war auf dem ersten Blich sehr ansehnlich, ein Haus für Herrschaften. Aber, leider, auf den zweiten Blick stellte es sich heraus, daß schon seit einiger Zeit wenig Pflege durchgeführt worden war. Der Garten war überwachsen, von der Hauswand bröckelte Putz, Risse waren zu sehen und auch im Inneren auf dem Weg zum Bücherzimmer wirbelten unsere Schritte kleine Staubwolken auf.
Wir betraten den Raum, er war groß und länglich. Die geschlossenen Fensterläden ließen nur wenig Licht ein. Mr Cairos schien das nicht zu stören, er machte keine Anstalten die Läden zu öffnen. Die Luft war schlecht. Warum wurde hier wohl niemals gelüftet? In der Mitte des Raumes stand ein schwerer repräsentativer Holztisch. An den Wänden stand eine große Zahl von Schränken in unterschiedlicher Größe, dann auch ein Paar Bücherregale. Eine vornehme Einrichtung, vielleicht damals vor zwanzig oder dreißig Jahren, jetzt war sie abgewohnt und etwas schäbig.

Als wir im Zimmer waren begann Mr Cairos wieder im Tonfall eines Museumsführers zu sprechen - unpersönlich, aber nicht unfreundlich:

"Hier befinden wir uns im ersten Ballspielmuseums unseres Heimatlandes Neu-Amerika. Diese Institution widmet sich dem Entstehen und der Geschichte unseres Nationalsports. Diese Geschichte ist eine sehr verwickelte und ist in vieler Hinsicht eng verwoben mit der Geschichte unseres Landes und unseres Volkes."

Ich hörte zu und schwieg. Langsam begann aber etwas Ungeduld in mir aufzusteigen.

"Wie sie vielleicht wissen, liegt Vieles von den Anfängen des Ballspiels im Dunkeln. Unsere Aufgabe..", bei diesen Worten deutete er mit der Hand auf sich, "....liegt darin Licht ins Dunkel zu bringen."

Das war löblich, ich nickte.

"Darf ich sie höflichst fragen, in wie weit ihnen das Werk von James William ein Begriff ist?"

Ich antwortete, daß es zu meinen Lieblingsbüchern gehörte. Diese Antwort schien ihn ehrlich zu erfreuen. Das vorher etwas gelangweilte Gesicht strahlte plötzlich für einen Augenblick.

"Sehr gut, außerordentlich gut, dann sind sie also mit der Schöpfungslegende des Ballspiels vertraut. Das macht Vieles einfacher."

Er blickte mich wieder an. Nach einem erneuten Nicken meinerseits, setzte er seine Rede fort und blickte an mir vorbei auf irgendeinen, imaginären Punkt im Zimmer.

"Ein Schwerpunkt unserer Forschung sind die Urväter. Sie werden sie kennen: es sind John T Halfweek, der große Schöpfer, der Weg- und Feldbereiter unseres schönen Spieles. Er, der Autor der Fünfundneunzig Regeln. Dann die Urspieler: der sogenannte Mächt'ge Casey, Urahn aller Schlagleute und Vater und Führer aller Blauen. Dann der Dreifinger Brown , der Gezeichnete, der Verwundete, der unerreichbare Werfer, Meister und Lehrer der Roten. Und nicht zu vergessen........

(Forstsetzung folgt)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen