Dienstag, 22. Februar 2011

10.) Liberty, April 30, 1890, Armer Gary Shanks schafft es

 Wir sind in Liberty für drei Spiele gegen die Junior Blauen.

Heute wurde unser Werfer Gary Shanks nach Port Maria hochgerufen. Wenn es eine Spieler in unserer Mannschaft gibt, dem ich das gönne (außer mir selbst), dann ist es Shanks. In irgendeinem Roman hatte ich den Ausdruck: "eine gequälte Seele" gelesen. Genau das war Shanks. Alles an ihm hatte etwas Zerrissendes und Bedrohtes, aber auch Bedrohliches an sich.
Es zeigte sich in der Art, wie er sprach: die Sprunghaftigkeit seiner Gedanken, die Einfalt seiner Vorstellungen, das Mißtrauen gegenüber alles und jedem. Am Auffallendsten war aber die Angewohnheit in fast jedem Satz die Wendung "weißt du was ich mein?" einzufügen.  Sie war dann hastig hervorgestoßen, als wolle er sich dauernd vergewissern, ob sein Gesprächspartner ihm folgt oder schon zumindest in Gedanken ihm den Rücken zugewandt hat. Eine Antwort, nein, die erwartet er natürlich nicht. Ein flehender Blick aber begleitet oft die ihm eigene Redewendung. Er lechzte nach Anerkennung, das war klar. Und ebenso klar war, daß er diese in seinen Leben selten erhalten hat. Wie seine Kindheit ausgesehen hat, ich wußte es nicht. Durch einige hingeworfene Bemerkungen von ihm, war es nicht schwer zu begreifen, daß Mißachtung, Schmerz und Angst sein Leben bestimmt haben müssen.
Seine Sprechweise, aber auch seine Haltung und Gesten von einer ausgeprägten Hast gezeichnet. Als müßte er jetzt , ganz schnell etwas herausstoßen oder etwas tun, weil im nächsten Augenblick schon jemand ihn hindern oder schaden könnte oder als ob jederzeit ihm für alles eine Strafe drohen könnte.
"..weißt du was ich mein?", manchmal flüsternd und eindringlich gesagt, damit nichts an falsche Ohren dringen kann, er war der ewig mißtrauische, überall lauerte die Gefahr, immer waren da die anderen, die ihm zu schaden suchten. "...weißt du was ich mein?".
Selbst wenn er lachte, dann war es klein klares Lachen. In seinem Gesicht war schon Angst zu erkennen. Die Angst nach der Freude. Ein erfolgreiches Spiel und doch drohten hundert Niederlagen in seiner Zukunft, wie auch hundert Entwürdigungen und Schmerzen als Erbe seiner Vergangenheit. Er war gierig nach Anerkennung. Vielleicht war war das der eigentliche Grund für seinHang zum Ballspiel. Lobte man ihn oder sprach man ihn freundlich an, so würde man schnell sein Freund. Nein, war würde sein Herr und er würde einem folgen und alles tun um ein zweites und drittes Lob zu erlangen. Und wenn das ausblieb, oder ein hartes Wort fallen sollte, wäre man sein Feind, für immer und unerbittlich.
So war Gary Shanks.
Und so war Gary Shanks auf dem Ballspielplatz: Er war ein anderer. Auf der Wurfkuppe stand er aufrecht, konzentriert und furchtlos.  Wenn er über das Ballspiel sprach kam nie ein "weißt du was ich mein?"  aus seinem Mund. Es kamen keine abgebrochenen Sätze, ihm war keine ängstliche Folgsamkeit oder ängstliche Feindseligkeit anzumerken. Er war bei sich und seine Satz waren knapp und auf den Punkt.
 Auf dem Ballspielplatz war er frei
Es war der Rest seines Lebens, der war ein Gefängnis, voller Angst und Unsicherheit. Hier jedoch beim Ballspiel schien er zu Hause zu sein. Hier war er endlich heimgekommen, hier war der Platz, von dem die Psalmen berichten, wohin Gott die Gerechten führt und bewirtet. Wo die Fremdheit ein Ende hat.
Hier innerhalb der Linien war es schön (der englische terminus technicus des Ballspiels für den Bereich in dem das Spiel stattfindet heißt  ' fair territory', ich habe also fair hier in seiner älteren Bedeutung  von  schön übersetzt) , während es draußen im Leben, außerhalb der Linien, verottet war ( hier gilt der Ballspiel-Begriff  foul).

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