Samstag, 26. Februar 2011

13.) Claremont, Mai 17, 1890, Mein merkwürdiger Freund Bramble

Es ist an der Zeit ein paar Sätze über Bramble zu schreiben. Er ist so etwas wie mein bester Freund in der Mannschaft. Erstaunlich eigentlich, denn er spielt die gleiche Position wie ich, Fänger. Wir sind Konkurrenten und er hat die Konkurrenz verloren, im Augenblick zumindest. Ich bin Stammspieler und er sitzt am Ende der  Bank.
Gute Vorraussetzung für eine Feindschaft. Das wir dennoch Freunde geworden liegt zum Beispiel daran, daß wir beide Bücher lesen. Für Ballspieler ist das ungewöhnlich und damit will ich nicht behaupten das alle Ballspielervon Natur aus ungebildet sind, aber es herrschen in unserem Handwerk zwei Vorurteile über das Lesen:

Erstens: Lesen von Büchern ist unmännlich. Lesen von Zeitungen, insbesondere Sportseiten, ist akzeptabel.

Zweitens: Lesen, in jeder Form, schadet den Augen. die Augen aber sind das größte Kapital des Ballspielers.
Also sind Bramble und ich Außenseiter in unserer er Mannschaft und das bindet zusammen.  Aber recht überlegt sind wir alle, in unserer Mannschaft, eine Ansammlung von Außenseiter, selbst die größten Konformisten und gerade die sind an der Außenseite, seitlich und schräg weg vom Leben in ihrer kleinen Welt der Ordnung und Wohlanständigkeit. Auch solche sind in unsere Mannschaft, neben den Stotterer und dem, der schlecht riecht.
Bramble kommt, wie man so sagt, aus gutem Hause, aus sehr gutem sogar, so weit ich weiß. Diese Einschränkung, "so weit ich weiß", muß ich zu fast allem machen, etwas ich über ihn mitteile. Denn er spricht nicht gern über sich selbst. Auch das ist eine Gemeinsamkeit mit mir. Das meiste glaube ich aus irgendwelchen Nebenbemerkungen heraus gehört zu haben. Er spricht nicht gern über sich, weil er ein normaler Kerl (engl. regular guy) in der Mannschaft sein will und kein reicher Affe. Die Eltern haben ein Business, offenbar, sind reich,  gutes Haus also und gute Schule, griechisch, Latein,und französisch!  Und jetzt Ballspieler in Claremont, ihm scheint das überhaupt nicht zu stören. Vielleicht ist das sein Problem. Er hat einen unglaublichen Mangel an Ehrgeiz. Das Ballspiel ist für ihn ein Spiel, nichts weiter.  Ich muß stocken. Was ist es denn für mich? Ein Spiel , das ist es, aber auch ein Handwerk, ein Beruf! Bramble sieht es anders.
 Ich habe Möglichkeiten (engl. I've got options) sagt er oft und mit ein wenig Arroganz und meint damit sein Leben als Nicht-Ballspieler. Wir andere haben wenige Möglichkeiten in jenem normalen Leben. Wir tragen einen Virus in uns, der uns zu Ballspielern macht und sonst nichts.
"Uchek, ", sagte Bramble vor kurzem, wir reden uns niemals mit unseren Vornamen an, "Uchek , du hast doch eigentlich einen guten Kopf auf deinen Schultern, aber warum hast du bloß so einen miesen Geschmack? Warum liest du diese Bücher von James William, der Kerl ist ein alter Trottel, und du hast die ganze Zeit diesen Mist in der Hand?"

In diesem Punkt bin ich empfindlich. Denn was ist einer, der die Bücher eines Trottels liest?
"William schreibt über das Ballspiel, und er schreibt verdammt gut , das weißt du!"

"Zugegeben er kann schreiben, aber ein guter Schriftsteller ist er nur dann, wenn er nicht vom Ballspiel schreibt. Ich verstehe nicht warum ein Mensch von Verstand überhaupt über so etwas wie das Ballspiel schreibt. Sag mir, warum gehen die Leute in den Ballpark, um anderen beim Spielen zu zugucken. Das Ballspiel ist das größte Spiel, das es gibt, wenn man es spielt, aber es ist das Elendeste wenn man zuguckt."

"Dazu hast du allerdings in letzter Zeitviel Gelegenheit gehabt." erwiderte ich. Keine freundliche Anspielung auf die Tatsache, daß er in den vergangenen Wochen kaum Spielzeit bekommen hatte.

"Verdammter Uchek, halt dein Maul", er starrte mich an. Der Zorn war echt, kein Zweifel. Das war das erste Mal, daß ich Bramble wütend sah. Er legte sonst größten Wert darauf, heiteren Gleichmut zu zeigen, mit einer Spur Ironie gewürzt.
"C.D. es ist schlimm da zu sitzen", das war knapp gesagt, es klang wie echte Verzweiflung und vergeblich versuchte ich einen Hauch von Ironie in dieser Worten oder seiner Mimik zu erkennen. Er war toternst.
Es kam eine Pause.
"Bramble, ich verstehe, daß du es haßt zuzugucken, aber für die Zuschauer ist das Spiel ein großer Trost,ein Fest vielleicht, weißt du. Es fängt bei 0-0 an, hat klare Regeln, es ist ein sauberes Spiel. Du hast den Respekt deiner Gegner und selbst wenn du verlierst, kannst du mit erhobenen Haupt vom Platz gehen. Es ist genau das Gegenteil vom richtigen Leben, deshalb lieben es die Leute."
"Du hast recht, Uchek, wenn du in Trenchtown (Armenviertel in Liberty City) geboren bist, steht es schon 20-0 gegen dich, beim ersten Atemzug. Und dann bist du am Schlag, ein Leben lang  und versuchst einen Eisenball zu schlagen, mit einem Strohhalm in der Hand."

Und was ist unsere Rolle in diesem Theater? Leben wir im Traum der Zuschauer als Darsteller des rechten Lebens?  Sind wir das Gespinst der Anderen, können wir daraus befreien?

Das Beste was James William geschrieben ist dies hier (und es ist das Einzige was Bramble gelten läßt):

(meine deutsche Übersetzung)



Solang du Selbstgeworfnes fängst,
ist alles Geschicklichkeit und läßlicher Gewinn -;
 erst wenn du plötzlich Fänger wirst des Balles,
den eine ewige Mit-Spielerin dir zuwarf,
deiner Mitte, in genau gekonntem Schwung,
in einem jener Bögen aus Gottes großem Brücken-Bau:
erst dann ist Fangen-Können ein Vermögen,
- nicht deines, einer Welt.
Und wenn du gar zurückzuwerfen Kraft und Mut besäßest,
nein, wunderbarer: Mut und Kraft vergäßest

 und schon geworfen hättest.....
(wie das Jahr die Vögel wirft,
die Wandervogelschwärme,
die eine ältre einer jungen Wärme hinüberschleudert über Meere -)
 erst in diesem Wagnis spielst du gültig mit.
Erleichterst dir den Wurf nicht mehr; erschwerst dir ihn nicht mehr.
Aus deinen Händen tritt das Meteor und rast in seine Räume...

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