Dienstag, 8. Februar 2011

6.) Claremont, 6. April, Der Geist des Ballspiels





Claremont, 6. April, Der Geist des Ballspiels







"Der Kern des Balles ist hart. Er wird von zwei schneeweißen Lederteilen ummantelt, die ineinandergreifen und durch einen dicken knallroten Zwirn zusammengenäht sind. Mit diesem Zwirn hat es eine besondere Bewandtnis, denn durch seine Stärke verändert er die makellose Rundung des Balles. Der Werfer bekommt damit ein wunderbares Hilfsmittel. Zum Handwerk des Werfers, wenn er irgendeine Aussicht auf Erfolg haben will, gehört es den Ball bei seinem Wurf in eine bestimmte Drehung zu versetzen. Dazu greift er den Ball auf unterschiedlichen Weisen und versucht zusätzlich durch Drehung des Handgelenks oder des gesamten Arms den gewünschten Drall  zu erzielen. Die rote Naht unterstützt ihn dabei und verstärkt die Drehung und dadurch die Flugbahn des Balles zum Schlagmann.




Die Gesetze der Physik werden ad absurdum geführt, wenn ein geworfener Ball auf scheinbar gerader Bahn fliegend, kurz bevor er den Schlagmann erreicht eine Kurve nach unten fliegt, als fiele er von einer Tischkante herunter. Oder aber, mit anderem Drall geworfen, biegt der Ball nach links oder rechts ab. All diese Techniken kombinert mit der Variationen der Ballgeschwindigkeit halten den Schlagmann in einem Zustand stetiger Ungewissheit.
Doch wehrlos ist der Schlagmann nicht, da doch die rote Naht des Balles auch ihm hilft. Denn jeder der verschiedenen Würfe läßt bei dem rotierenden Ball des Rote in einem anderen Muster flirren. Nun muß er erkennen -  ist es der Kurver oder der Knöchler,  der dort kommt und entsprechend reagieren. Aber, mein Gott, was heißt erkennen, was reagieren? 'Du mußt mit den Muskeln sehen' sagt ein Ballspiellehrer seinem Schüler.
 Muß der Ball dem Schlagmann nicht wie ein riesiges, ein faustgroßes, Insekt erscheinen. Eines mit pulsiereden Adern, eben jenem flirrenden, roten Garn. Geboren aus der Hand des Werfers rast es mit irrwitziger Geschwindigkeit auf ihn zu und narrt ihn durch die so bösartig gebogene Flugbahn. um dann sein Sekundenleben mit einem dumpfen Plopp im Lederhandschuh des Fängers auszuhauchen. Dann kehrt der Ball zum Werfer zurück, ein lebloses Ding und der Kreislauf beginnt von Neuem. Ein mächtiges Ausholen des Werfers, dies blitzartige, rot-weiße Insektenleben startet, die pflichtgemäße Täuschung des Schlägers und dann sein unvermitteltes Begräbnis.
Doch der Schlagmann weiß sich zu wehren. er ist der unbarmherzige Feind dieses Tieres. Er versucht es mit seinem Schläger zu zerschmettern und sein Leben auszulöschen. Nicht selten gelingt das, weil zuweilen dem Werfer die Insektengeburt mißlingt und deshalb ein taubes, lebloses Geschoß dem Schlagmann ein leichtes Ziel bietet. Oder er weiß das Insektengeflimmer zu lesen und so den Plan des Werfers über den Haufen zu werfen und zu treffen. Trifft er dann, findet die Ausholbewegung des Schlägers den erhofften Widerstand jagt es ihm wohl ein Schaudern durch den Körper. Bei dem Zusammenstoss entsteht ein krachendes Geräusch, das alle, sowohl Zuschauer, wie auch Spieler, in einem winzigen Augenblick in einen Zustand der Bestürzung versetzt. Nun ist aus dem Insekt ein Dämon geworden. Ein Teil der Zuschauer versetzt diese Verwandlung ein helle Begeisterung, während der andere Teil, die Unterstützer des Werfers, große Besorgnis empfinden. Getroffen von dem Schläger prallt der Ball zurück ins Feld mit doppelter Geschwindigkeit, ein Dämon, der sich seinen Weg bahnt. Und es brechen Sekunden der Freiheit und der Anarchie an. Der wilde Dämon setzt alles in Bewegung. Die Feldspieler hasten ihm nach, die Läufer wagen es ihre sichere Heimstatt auf den Malen zu verlassen und ihrem eigentlichen Ziel entgegen zu eilen: dem Heimmal . Den Punkt einzuheimsen, den keiner ihnen mehr entreissen kann. Die Feldmannschaft jedoch sucht die Krise zu meistern. Ein Spieler rast dem freien Ball hinterher um ihn zu bändigen, während seine Kollegen ihre, durch viele Übungen geprobten, Positionen einnehmen, variierend je nach Spielsituation. Dort erwarten sie die Rückkehr des gebändigten Dämons aus dem Außenfeld. Um den kecken Läufer abzufangen, der glaubt die Freiheit des Augenblicks noch weiter nutzen zu können um seinem Ziel näherzurücken. Jetzt wird der gebändigte Dämon zur Waffe der Feld- und Werferpartei um den zu töten der sich unklug von seinem sicheren Mal gelöst hat. Er wendet sich also damit gegen seinen Erzeuger und schickt ihn ins Aus."

Nach diesem Satz schloß ich das Buch. Das Licht wird schlecht. Es ist Abend. Vielemale habe ich dieses Sätze bereits gelesen. Niemand anderes als James William kann das Ballspiel so beschreiben, daß es mir dermaßen naheging. Er ist unser Nationaldichter, er hat viel über das Ballspiel nachgedacht.


Morgen ist das zweite Spiel gegen St Anne's Bay, unsere nächsten Nachbarn, nur eine 20 Minuten Zugritt entfernt. Heute Mittag servierten Wilma und Anne-Mary wieder unser Essen. Dabei reichte Anne-Mary mir eine Schüssel. Als sie sie mir reichte hielt ich für einen längeren Augenblick ihre Hand. Sie zog die ihre ein wenig später weg als ich erwartete. Das gab mir neuen Mut. Später traf ich sie außerhalb der Pension und ich traute mir zu fragen, ob sie nicht zum nächsten Spiel kommen wolle.Ich hatte zwei freie Pässe. Sie erwiderte, daß ihr Kleiner Bruder Mikey ein großer Ballspiel-Anhänger sei. das mußte wohl bedeuten, daß ihr herzlich gleichgültig ist was im Ballpark passiert. Dennoch sie nahm die Pässe und versprach zu kommen.

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